Taxifahrerorganisation fordert Mindestlohn –
Unternehmer fordern bessere Rahmenbedingungen für das Taxigewerbe.
TaxiDeutschland, Landesverband Berlin e.V. distanziert sich ausdrücklich von der heutigen Protestaktion des „Berliner Taxibund e.V. (BTB)“.
Natürlich wollen wir, dass jede(r) Taxifahrer(in) von ihrer/seiner Arbeit angemessen leben kann. Dies gilt aber ebenso für die Taxiunternehmer, die in der Regel ebenso ein Einkommen am Rande des Existenzminimums erzielen. Unsere Fahrer(innen) sind tatsächlich Geringverdiener und vielen Unternehmern geht es nur noch ums Überleben. Im Taxigewerbe, das starken konjunkturellen Schwankungen unterliegt, hat sich, im Interesse von Fahrern und Unternehmern, die Lohnzahlung in Form einer prozentualen Umsatzbeteiligung des Fahrers an den Fahreinnahmen durchgesetzt.
Wir sind für ordentliche Löhne unserer Beschäftigten. Klar, denn unser Fahrpersonal ist der Schlüssel zu besserer Qualität unserer Dienstleistung. Und wir können all das, was wir von unseren Fahrern verlangen nicht von Geringverdienern erwarten, deren sozialer Status vergleichbar dem eines Tagelöhners ist. Wir wollen die Ausbildung und die Qualität des Fahrpersonals verbessern und das Berufsbild „Taxifahrer“ attraktiver gestalten. Nur müssen wir diesen Mindestlohn auch bezahlen können!
Was erwarten die Befürworter des Mindestlohns?
Sie hoffen, dass „die heute unplausibel arbeitenden Betriebe (…) noch vor der generellen Einführung des Fiskaltaxameters schließen (würden) müssen.“ Und weiter: „das Überangebot der Ware Taxi wäre (…) sehr schnell vom Markt (…). Das jetzt schon bestehende Überangebot an Fahrpersonal/Taxen wird drastisch reduziert, anders gesagt, die Unternehmer, die ihre Massen-Konzessionen/Taxen nur 3-4 Tage besetzt kriegen, wären sehr schnell weg vom Markt.“ (Marcel Bonacker, Mitglied in der Gewerkschaft ver.di und im „HTV Hamburger Taxenverband eV“, Quelle: http://taxi-magazin.de/taxi/topics/lohntarif-gutsherrenart-oder-sozialromantik-eine-branche-im-umbruch.php)
Doch ganz so einfach ist das nicht. Wer unser Gewerbe kennt, weiß auch von der kriminellen Energie, mit der ein bestimmter Teil der Branche vorgeht, um bestehende Regeln auszutricksen. Verlierer bei der geforderten Umstellung auf Stundenlohn wären die ehrlichen Unternehmer, die ihre Umsätze und die Arbeitszeiten nicht manipulieren. Sie müssten Fahrer entlassen oder aufgeben. Die unehrliche Konkurrenz würde die Arbeitszeiten der Art „korrigieren“, dass sie auf die nötigen Umsätze pro Stunde kommen würden. Weil die Arbeitszeiten nur sehr schwer von der Behörde zu überwachen sind, träfe diese Maßnahme mit Sicherheit die Falschen.
Allerdings darf diese Diskussion nicht zu verbohrt geführt werden, denn, wie im Vertrieb, sind Kombinationsmodelle mit Mindestlohn und Umsatzbeteiligung denkbar, die den zu befürchtenden Missbrauch minimieren würden.
Konsequenz: bei Bezahlung eines Mindestlohnes müsste auch ein Mindestumsatz vom Taxifahrer erwartet werden.
Wo aber immer mehr Taxen dazu kommen, müssen sich immer mehr Fahrer den Umsatz teilen. In Berlin konkurrieren inzwischen ca. 7.500 Taxen miteinander und jährlich werden ca. 700 Neuerteilungen beantragt und genehmigt.
Zweite Konsequenz: wollen Fahrer den Mindestlohn unter den gegebenen Voraussetzungen, muss Taxi fahren noch wesentlich teurer werden.
Wesentlich höhere Preise sind unseren Kunden aber nicht zu vermitteln und in der Konkurrenzsituation mit Anbietern von Mietwagen mit Chauffeuren nicht durchsetzbar.
Dem grundsätzlich zu begrüßenden Mindestlohn müssen also zunächst andere Schritte voraus gehen.
Jetzt, wo das Thema „Mindestlohn für Taxifahrer“ in den Fokus der Öffentlichkeit gerät, muss doch auch hinterfragt werden, warum unser Fahrpersonal so wenig verdient. Wir haben ein Qualitätsproblem, das im Wesentlichen in einer unzureichenden Ausbildung begründet ist und durch das wir in den letzten Jahren viele Kunden an Chauffeurdienste verloren haben. Und wir haben ein Kontroll- und Ordnungsproblem, wodurch immer mehr Taxen um immer weniger Fahrgäste konkurrieren. Damit immer weniger Kunden eine zunehmende Zahl an Fahrern und Unternehmern einigermaßen satt bekommen, sieht sich unsere Zunft regelmäßig genötigt, die Fahrpreise zu erhöhen. Das wiederum vertreibt noch mehr Kunden, die sich ein Taxi nicht mehr leisten können. Ein Teufelskreis. Den können wir nur durchbrechen, wenn die Konkurrenzsituation grundsätzlich verändert wird, andernfalls hat der Staat selbst das Entstehen einer Taxi-Mafia zu verantworten.
Diese Missstände muss das gesamte Taxigewerbe, Unternehmer und Fahrer, gemeinsam beseitigen, bevor die Forderung einiger Fahrer nach einem Mindestlohn ernsthaft diskutiert werden kann.
Der Umsatz pro Stunde pro Taxi ist das Maß für den Lohn unserer Fahrer. Dieser Wert ergibt sich aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage unserer Dienstleistung. Gehen wir den von unserer Behörde vorgegebenen Weg des „Laissez Faire“ weiter, bleibt im Taxigewerbe mittelfristig nur eine Mafia übrig. Die ehrlichen Unternehmer werden nicht überleben und der Beruf „Taxifahrer“ wird nie wieder ein angesehener sein.
Für das Taxigewerbe als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) muss die Bedeutung des Begriffes „Funktionsfähigkeit“ aber in jedem Fall neu definiert werden. Das beinhaltet das Potential, künftig auch zeitlich befristete Beobachtungszeiträume, während denen keine neuen Taxigenehmigungen erteilt werden, rechtlich zu legitimieren.
Der Zugang zu unserem Gewerbe muss erschwert und die Anzahl von Taxen muss verringert werden.
Von betrügerischen Firmen eingezogene Konzessionen dürfen nicht wieder, z.B. an fix neu gegründete GmbHs, hinter denen sich dieselben Akteure verstecken, neu erteilt werden. Was für einen Sinn machen sonst auch die strengsten Kontrollen und das Versagen von Genehmigungen, wodurch die ehrlichen Betriebe geschützt werden sollen?
Das Mietwagengewerbe muss strenger reglementiert werden, damit wir es, im Geiste des Personenbeförderungsgesetzes, mit einer fairen Konkurrenz zu tun haben, die sich nicht zum Rückzugsfeld von Betrügern entwickeln kann, sobald das Taxigewerbe „sauber“ ist. Denn wenn wir über notwendige Veränderungen im Taxigewerbe reden, muss allen klar sein, dass die nur dann positive Wirkung zeigen werden, wenn unsere Ordnungsbehörde auch das Mietwagengewerbe entsprechend reguliert: weg mit den Ausnahmeregelungen, kein Chauffeurwagen ohne Wegstreckenzähler, für Kontrollen, die es bei uns schon seit Jahren gibt und für eine Erfassung aller relevanten Daten entsprechend des im Taxigewerbe ab 2017 verbindlichen sogenannten Fiskaltaxameters. Sonst wuchert dort weiter, was im Taxigewerbe ausgemerzt wird. Ein möglicher Mindestlohn für Taxifahrer muss dann natürlich auch für das Mietwagengewerbe gelten.
Die wichtigste Aufgabe ist es zunächst einmal, endlich die seit einer gefühlten Ewigkeit beantragte Fahrpreiserhöhung (der ersten seit 2009!) im notwendigen Rahmen durchzusetzen. Bei unserem derzeitigen Lohnsystem erhalten dann unsere Beschäftigten ja eine automatische Lohnerhöhung. Dafür muss das Gewerbe jetzt Druck machen.
Nur wenn wir der Reihe nach unsere Aufgaben erfüllen, sind wir in der Lage, ehrlich und auskömmlich zu wirtschaften, Fahrpreise stabil zu halten, unsere Qualität zu verbessern und unserem Fahrpersonal mehr als nur einen gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Möge der Ruf nach einem Mindestlohn in diesem Sinne lauter werden.
Stephan Berndt,
Vorsitzender von TaxiDeutschland, Landesverband Berlin e.V.