von Rechenkünstlern, Gewerbetretern und tatenlosen Behörden
„Legal Taxi fahren, fair Taxi fahren“. Das ist der Titel einer „Fahrgastinformation“, die in der Gewerkschaft ver.di organisierte Taxifahrer am Donnerstag, den 26. August am Taxihalteplatz Hauptbahnhof verteilten. Damit wollten sie Fahrgäste über die versicherungsrechtlichen Risiken informieren, mit denen sie konfrontiert werden können, wenn sie im Taxi einen Preis aushandeln und sich ohne eingeschaltetes Taxameter befördern lassen. Soweit ein verständliches und begrüßenswertes Anliegen.
Was dann aber von den Fahrerkollegen gegenüber der Presse erklärt wurde, soll entweder neue Gesetzmäßigkeiten in die Mathematik einführen oder aber Taxiunternehmer dazu bewegen, für ihre Fahrer noch Geld von zuhause mitzubringen.
Oder wie sonst sollen wir einen der gewerkschaftstreuen Taxifahrer verstehen, der im ersten Satz behauptet, in einer Zehn-Stunden-Schicht durchschnittlich 100 Euro einzufahren, im zweiten Satz dann einen Mindestlohn für Taxifahrer von 8,50 Euro pro Stunde fordert? Wir wissen nun nicht, wie dieser „organisierte“ Arbeitnehmer seine Zehn-Stunden-Schicht verbringt. Fallen in dieser „Zehn-Stunden-Schicht“ 4 Stunden harten Wettbewerbs in einem Billardsalon und weitere 2 Stunden zum Essen fassen bei Muttern an, mag diese Rechnung ja noch angehen, da wohl auch ver.di (noch) nicht diese Zeiten als bezahlte Arbeitszeit verstehen will. Versteht der gewerkschaftstreue Kutscher seine „Zehn-Stunden-Schicht“ jedoch als „Zehn-Stunden-Arbeitstag“, verlangt er von seinem stündlichen Einfahrergebnis von 10,00 € (incl. Mehrwertsteuer) immerhin satte 8,50 € Fahrerlohn, wobei nicht klar wurde, ob diese Forderung brutto oder netto zu verstehen war.
Jetzt könnte man noch sagen, ein gewerkschaftsorientierter Taxifahrer muss nicht unbedingt das Wechselspiel zwischen Umsatz, Kosten und Gewinn überblicken. Ein Fahrer ist schließlich kein Unternehmer. Dass aber der Vorsitzende der „Innung“ des Berliner Taxigewerbes e.V., nach unbestätigten Gerüchten selbst Taxiunternehmer, nach eigener Aussage mit diesen Rechenkünstlern „in Sachen Mindestlohn an einem Strang zieht“, verwundert den notgedrungen scharf kalkulierenden Mehrwagenunternehmer schon. Allerdings, soviel zur Ehrenrettung des Herrn Dörendahl, er gab wenigstens zu bedenken, dass ein Tarifvertrag wie in München, der den Fahrern monatlich 1.660 Euro brutto garantiert, nur unter verbesserten Rahmenbedingungen möglich sei, beispielsweise durch eine geringere Anzahl an Taxikonzessionen. Diese ist in München seit Jahrzehnten begrenzt und damit stabil.
Aber da sind wir dann wieder bei einem Thema, das für sogenannte „seriöse“ Funktionäre ein großes Tabu ist und das der Berliner Senat scheut wie der Teufel das Weihwasser. Konzessionsstopp! Gebranntes Kind…
Stellt Euch vor, das Thema „Mindestlohn für Taxifahrer“ gerät in den Fokus der Öffentlichkeit. Dabei muss dann ja auch hinterfragt werden, warum unser Fahrpersonal so wenig verdient. Sind alle Taxiunternehmer Halsabschneider, die ihre Fahrer ausbeuten und ihre maßlosen Gewinne in die Schweiz bringen? Oder sind es selbst arme Schweine, denen auch kaum etwas übrig bleibt? Diese Fragen würden automatisch eine Diskussion über die Funktionsfähigkeit unseres Gewerbes entfachen. Und in diesem Zusammenhang kann das eine Chance sein, „Funktionsfähigkeit“ komplexer zu definieren. Bisher hat die Ordnungsbehörde bei deren Beurteilung immer nur die öffentlichen Verkehrsinteressen berücksichtigt, dabei aber ausgeblendet, dass eine Definition von „Funktionsfähigkeit“ die wirtschaftliche Lage der Taxiunternehmen beinhalten muss. Dazu ist uns der Staat aber verpflichtet. Da wir für den Staat bei der Personenbeförderung unverzichtbar sind und unsererseits viele Pflichten gegenüber dem Staat und der Allgemeinheit erfüllen müssen, muss uns der Staat – quasi als Gegenleistung - auch schützen. Uns und unsere Fahrer. Vielleicht ist die Diskussion über einen gerechten Arbeiterlohn ja zielführender als die Auseinandersetzung mit Forderungen von Unternehmerseite.
Wie sieht denn nun unsere Realität aus?
Unsere Fahrer sind tatsächlich Geringverdiener und vielen Unternehmern geht es nur noch ums Überleben. Als es mit unserem Taxigewerbe in den Jahren nach dem Mauerfall kontinuierlich abwärts ging, hat sich keine Gewerbevertretung, keine Senatsverwaltung und kein „Ordnungs“- oder „Einwohner“-Amt dieser Stadt für seine Taxiunternehmer und Taxifahrer stark gemacht. Die Behörden sahen in dem ruinösen Treiben einen Wettbewerb, bei dem sich die besten Unternehmer durchzusetzen hätten. Staatlich verordnete Regulierungen widersprächen den Regeln des freien Marktes und griffen in die Freiheit des Unternehmertums ein. Dass unser Gewerbe als unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) von der Betriebspflicht bis hin zum Fahrpreis reglementiert ist, vergisst man dabei gerne, ebenso, wie man vergisst, dass unser Gewerbe als einziges im ÖPNV tätiges Gewerbe ohne jegliche Subventionen auskommt. Wo es darum geht, Unternehmer und Beschäftigte unseres Dienstleistungsbereiches zu schützen, in dem öffentliche Aufgaben des ÖPNV erfüllt werden, bleiben unsere Behörden regelmäßig untätig.
Und unsere „Gewerbevertreter“ hatten nichts Besseres zu tun, sich durch ständiges Gezänk als unsere Vertreter zu disqualifizieren und in ihren Kampfpausen durch lautes Getöse in den Medien unseren Ruf, nämlich den ehemals guten Ruf des Taxigewerbes durch den Dreck zu ziehen. Unsere „Gewerbevertreter“ der sich selbst als „seriös“ bezeichnenden Verbände haben es tatsächlich hinbekommen, dass In der öffentlichen Wahrnehmung Taxiunternehmer und Taxifahrer mehr und mehr zu einer Bande von Kriminellen verkamen.
Mit Sicherheit gibt es mittlerweile eine bedrohliche Kriminalität in unseren Reihen. Bedrohlich ist diese Entwicklung aber vor allem für die Existenz der großen Mehrheit der ehrlich arbeitenden Betriebe. Der ungehinderte Zugang, der es nahezu jedem ermöglicht, eine Taxikonzession erteilt zu bekommen und die, entgegen aller Lippenbekenntnisse sträflich vernachlässigte Pflicht, Kontrolle auszuüben und damit unsere ehrlichen Betriebe zu schützen, hat es zwielichtigen Typen geradezu leicht gemacht, kriminelle Praktiken zu etablieren. Anstatt derartiges gezielt zu bekämpfen und zu verhindern, stellt man uns lieber alle unter Generalverdacht.
Das Versagen von Behörden und Verbänden ist für den Niedergang unseres Gewerbes verantwortlich. In Folge dieses Niederganges verloren wir massiv qualifiziertes Fahrpersonal. Wer immer andere berufliche Möglichkeiten hatte, wanderte ab in andere Gewerbe, wo es mehr zu verdienen gab. Immer mehr wurden Menschen durch die Ortskundeprüfung geprügelt, die auf unserem Arbeitsmarkt sonst kaum eine Chance hätten. Dabei wurde es versäumt, diesen Kollegen neben der reinen Ortskunde ein Minimum an Dienstleistungsbereitschaft oder – das betrifft Fahrer mit fremder Muttersprache – Sprachkompetenz abzuverlangen. Das waren grobe Versäumnisse, um die sich niemand ernsthaft kümmern wollte. Eine echte Chance, Menschen mit Defiziten in der schulischen Bildung eine ordentliche Tätigkeit zu ermöglichen, in der sie soziale Anerkennung erfahren, wurde verpasst. Da ging und geht es der Politik wohl mehr um das Schönen der Arbeitslosenstatistik als um Qualifizierung und Integration. Und die prüfenden Verbände achten wohl auch eher darauf, dass jeder durchgefallene Prüfling für eine erneute Prüfung einen erneuten Obolus zu zahlen hat, als dass ordentlich qualifizierte Taxifahrer auf die Menschheit losgelassen werden.
Für unser Gewerbe ergab sich daraus ein massives Qualitätsproblem unserer Dienstleistung. Und genau diejenigen, die in den vergangenen Jahren für die Qualifikation der Berufsanfänger verantwortlich waren, rufen heute „haltet den Dieb“. Da kann sich niemand damit herausreden, dass gesetzlich nicht mehr zum Erlangen des Personenbeförderungsscheins vorgeschrieben sei. Gesetze lassen sich ändern und bis dahin kann man Mindeststandards in der Ausbildung verabreden. Nichts wurde gemacht, außer einer Menge Geld mit den P-Schein-Prüfungen.
Wir haben also ein Qualitätsproblem, durch das wir in den letzten Jahren viele Kunden an Chauffeurdienste verloren haben. Und wir haben ein Kontroll- und Ordnungsproblem, wodurch immer mehr Taxen um immer weniger Fahrgäste konkurrieren. Damit immer weniger Kunden eine zunehmende Zahl an Fahrern und Unternehmern einigermaßen satt bekommen, sieht sich unsere Zunft regelmäßig genötigt, die Fahrpreise zu erhöhen. Das wiederum vertreibt noch mehr Kunden, die sich ein Taxi nicht mehr leisten können. Ein Teufelskreis.
Den können wir nur durchbrechen, wenn die Konkurrenzsituation grundsätzlich verändert wird. Schwarzarbeit erzeugt noch mehr Schwarzarbeit. Nur wenn es gelingt, die schlimmsten Ergebnisse des Versagens staatlicher Kontrolle zu eliminieren (illegale Verpachtung und Geldwäsche), kann die Ausrottung der Ehrlichen vermieden und das Abgleiten des gesamten Gewerbes in die Illegalität verhindert werden. Der Staat schafft sich durch eigene Untätigkeit eine Taxi-Mafia und den „Gewerbevertretern“ der „seriösen Verbände“ fällt nichts besseres ein, als zuzuschauen und mit dem Finger auf alle diejenigen zu zeigen, deren Nasenspitze diesen Gewerbevertretern nicht gefällt.
Zu Beginn dieser Überlegungen stand die Forderung unserer Fahrer nach einem Mindestlohn. Wir sind dafür. Klar, denn unser Fahrpersonal ist der Schlüssel zu besserer Qualität unserer Dienstleistung. Und wir können all das, was wir von unseren Fahrern verlangen nicht von Geringverdienern erwarten, deren sozialer Status vergleichbar dem eines Tagelöhners ist. Gerne wollen wir die Ausbildung und die Qualität des Fahrpersonals verbessern und das Berufsbild „Taxifahrer“ attraktiver gestalten. Nur, wir müssen diesen Mindestlohn auch bezahlen können!
Wo aber Unternehmern derartig viele Pflichten auferlegt werden, wo bessere Qualität und höhere Löhne für unsere Beschäftigten gefordert werden, da muss ein Gewerbe, das nicht nach Subventionen schreit auch geschützt werden. Der Umsatz pro Stunde pro Taxi ist das Maß für den Lohn unserer Fahrer. Dieser Wert ergibt sich aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage unserer Dienstleistung. Gehen wir den von unserer Behörde vorgegebenen Weg weiter, bleibt im Taxigewerbe mittelfristig nur eine Mafia übrig. Die ehrlichen Unternehmer werden nicht überleben und der Beruf „Taxifahrer“ wird nie wieder ein angesehener sein.
Wer das alles im Zusammenhang betrachtet, muss die Bedeutung des Begriffes „Funktionsfähigkeit“ neu definieren. Das wiederum hätte zwangsläufig das Potential, künftige Beobachtungszeiträume rechtlich zu legitimieren. Der Zugang zu unserem Gewerbe muss erschwert werden. Von betrügerischen Firmen eingezogene Konzessionen dürfen nicht wieder neu erteilt werden (z.B. an fix neu gegründete GmbHs, hinter denen sich dieselben Akteure verstecken). Die Anzahl von Taxen muss verringert werden. Jahrelange unternehmerische Tätigkeit muss sich bei Betriebsaufgabe in einem Firmenwert ausdrücken und unseren Unternehmern eine Altersversorgung sichern. Nur dann sind wir in der Lage, ehrlich und auskömmlich zu wirtschaften, Fahrpreise stabil zu halten, unsere Qualität zu verbessern und unserem Fahrpersonal mehr als nur einen gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Möge der Ruf nach einem Mindestlohn in diesem Sinne lauter werden.
Stephan Berndt.